Sehr geehrter Herr Hofmann,
anlässlich Ihrer Anfrage vom 24. Mai habe ich das zuständige Kreisverwaltungsreferat um Stellungnahme gebeten.
In seiner Antwort weist das Kreisverwaltungsreferat ausdrücklich darauf hin, dass mit der Untersagung der Gehsteigberatung durch den Verein „Lebenszentrum - Helfer für Gottes kostbare Kinder Deutschland e.V.“ - in unmittelbarer Nähe der Klinik Stapf in München keine Stellung zum Thema „Abtreibung“ bezogen wird. Durch die getroffenen Maßnahmen wird lediglich die Art und Weise, mit der der Verein bzw. seine Beauftragten ihr Anliegen umzusetzen versuchen, beanstandet und untersagt. Durch die Beschränkung der Untersagung der „Gehsteigberatung“ auf das unmittelbare Umfeld der Klinik soll auch ein Ausgleich zwischen den Interessen der betroffenen Frauen und den Interessen der „Lebensschützer“ herbeigeführt werden.
Die Stadt München hat anlässlich der gerichtlichen Entscheidung im Hinblick auf vergleichbare „Gehsteigberatungen“ vor der ProFamilia-Beratungsstelle in Freiburg die rechtliche Situation einer umfassenden Prüfung unterzogen. Darüber hinaus wurden Gespräche mit Vertretern des Vereins geführt, vor allem nahm ein Vertreter des Kreisverwaltungsreferates an einem vom „Lebenszentrum“ organisierten Treffen mit Frauen und deren „geretteten“ Kindern teil. Das Kreisverwaltungsreferat kam letztlich zu der Überzeugung, dass die Gehsteigberatung in der praktizierten Form der Kontaktaufnahme – unaufgeforderte Ansprache auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation, Zeigen bzw. Überreichen von teils drastischem Informationsmaterial – mit möglichen Patientinnen der Klinik einen massiven Eingriff in die Intimsphäre und damit in die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Frauen darstellt.
Der Umstand einer Schwangerschaft ist dem höchst persönlichen Bereich der schwangeren Frau zuzuordnen und gerade die Auseinandersetzung mit einem selbst bestimmten Abbruch der Schwangerschaft löst bei den betroffenen Frauen eine unbestrittene Konfliktsituation aus.
Die betroffenen Frauen befinden sich somit in einer emotional extrem angespannten, aber gleichsam äußerst intimen Gefühlslage. Gerade der Umstand, dass die Frauen gezielt und sozusagen „auf den letzten Metern“ vor ihrer geplanten Abtreibung gewissermaßen „abgefangen“ und aktiv angesprochen werden, stellt aus Sicht des Kreisverwaltungsreferates diesen massiven Eingriff in die Intimsphäre dar. In dieser hoch sensiblen Phase haben die Frauen geradezu das Recht, „ungestört“ zu sein und nicht als „Kandidatinnen“ einer Abtreibung auf offener Straße mit der Thematik konfrontiert zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die betroffenen Frauen sich in einer emotional derart schwierigen Situation befinden, dass eine adäquate Reaktion auf dieses Eindringen in den persönlichsten aller Bereiche kaum oder nur unter erheblichen psychischen Anstrengungen möglich ist.
Dem Kreisverwaltungsreferat ist durchaus bewusst, dass die Abwägung zwischen den jeweiligen Interessen je nach persönlicher Haltung im Einzelfall als unzulänglich erscheinen kann. Ich darf Ihnen jedoch versichern, dass die getroffene Entscheidung, die Intimsphäre der betroffenen Frauen zu schützen, das Ergebnis eines umfangreichen Abwägungsprozesses war, in dem alle Beteiligten gleichermaßen Gehör fanden.
Mit freundlichen Grüßen

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am 31. Mai 2011
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