Sehr geehrte Frau Cullmann-Reder,
Ihre grundsätzliche Haltung, dass Wohnraum gerade in städtischem Besitz so lange wie möglich erhalten werden sollte und dass eine behutsame Instandsetzung und Sanierung einem Abriss vorzuziehen sei, teile ich. Entsprechend ist die Politik der städtischen Wohnungsbaugesellschaften in den letzten beiden Jahrzehnten auch stets auf Bestandssicherung ausgerichtet gewesen. Allerdings gibt es unleugbar auch den Fall, dass veraltete Bausubstanz nicht mehr erhalten werden kann, jedenfalls nicht mit vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand und nicht zur Zufriedenheit der Bewohner. Selbstverständlich muss in einem solchen Fall aber frühzeitig und glaubwürdig dargelegt werden,
• dass die Bausubstanz tatsächlich baufällig ist,
• dass der wirtschaftliche Aufwand unvertretbar wäre und
• dass attraktive Wohnverhältnisse im Bestand nicht realisiert werden können (z.B. wegen unzureichender Raumhöhe oder Raumgröße oder wegen fehlender Badezimmer etc.).
Im Falle Ihrer Siedlung sind solche Gesichtspunkte dem Aufsichtsrat noch nicht einmal vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen worden. Es gibt deshalb auch kein aktuelles Projekt, sondern nur Vorüberlegungen der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft HEIMAG. Ich finde es ebenso wie andere Mitglieder des GEWOFAG-Aufsichtsrats ausgesprochen ärgerlich, dass durch öffentliche Äußerungen zeitweise der Eindruck erweckt wurde, Abriss und Neubau seien bereits beschlossene Sache. In Wahrheit gab es hier nicht zu wenig Transparenz, sondern tatsächlich zu viel: Überlegungen, die noch nicht einmal spruchreif waren, gelangten in eine öffentliche Sitzung und damit auch in die Medien und mussten die Mieter als vermeintliche Mitteilung vollendeter Tatsachen verunsichern und verängstigen. Dafür kann ich mich als Aufsichtsratsvorsitzender der Muttergesellschaft GEWOFAG, der mit dem Projekt noch in keiner Weise befasst worden ist, nur entschuldigen.
Wie Sie mittlerweile weiteren Schreiben und Presseartikeln entnehmen konnten, hat die HEIMAG zwischenzeitlich erkannt, dass die Bauten aus dem Jahre 1955 in einem besseren Zustand sind als bisher angenommen und dass Abriss und Neubau zumindest gegenwärtig nicht notwendig sind. Eine grundlegende Untersuchung soll auf Vorschlag der GEWOFAG-Geschäftsführung nach 2015 durchgeführt werden. Gegen eine solche Untersuchung ist prinzipiell nichts einzuwenden, der Eigentümer einer Wohnungsanlage ist vielmehr verpflichtet, sich vom baulichen Zustand zu vergewissern. Der Aufsichtsrat der GEWOFAG wird dafür Sorge tragen, dass die Ergebnisse der Untersuchung der Mieterschaft und insbesondere der Mietergemeinschaft vorgelegt werden und dass auch alle weiteren Schritte im Dialog mit der Mieterschaft enthüllt und vorgenommen werden. Eine Bestandsgarantie „für alle Zeiten“ kann es aber selbstverständlich nicht geben. Diese Ehrlichkeit ist Ihnen sicher lieber als Beschwörungsformeln, die erkennbar keine tragfähige sachliche Grundlage haben.
Mit freundlichen Grüßen

Kommentare (3)Schließen
am 07. August 2012
1.
am 11. August 2012
2.
am 17. August 2012
3.
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.