Sehr geehrter Herr Prestele,
mit Ihrer Kritik sind Sie keineswegs allein. Die von Ihnen angesprochene Ungleichbehandlung wird auch von der Landeshauptstadt München sowie vom Deutschen Städtetag und dem Bayerischen Städtetag moniert. Wir fordern bereits seit Jahren, dass die Gewerbesteuergrundlage erweitert und auch Freiberufler mit einbezogen werden müssen, um das Gewerbesteueraufkommen zu verstetigen und zu stabilisieren.
Es ist schwer nachvollziehbar, wenn ein Dentaltechniker Gewerbesteuer zahlen muss, der Zahnarzt, der ihm Aufträge gibt, aber nicht. Oder der Bauunternehmer oder der Maurer zur Kasse gebeten werden, aber nicht das Ingenieurbüro oder der Statiker, die am selben Projekt arbeiten. Auf der Leopoldstraße fahre ich an einer Anwaltsfabrik mit hunderten akademischer Mitarbeiter vorbei. Dass die im Gegensatz zu Gewerbebetrieben mit deutlich weniger Gewinn nicht zur Gewerbesteuer herangezogen werden, obwohl sie die kommunale Infrastruktur nicht weniger nötig haben, ist ein Privileg, das kein Mensch verstehen kann.
Die Freistellung der sogenannten freien Berufe geht zurück auf die Einführung des Gewerbesteuergesetzes am 01.12.1936. Damals wurde dies damit begründet, dass die freien Berufe im Vergleich zu Gewerbetreibenden eine Reihe von Besonderheiten aufweisen, dass es ihnen zum Beispiel nicht möglich sei, durch den Einsatz von Maschinen ihre Arbeitskraft zu vervielfältigen und den Gewinn zu erhöhen oder dass ein Gewerbebetrieb den Gemeinden eine weitaus höhere Infrastrukturlast verursache als ein Mitglied der freien Berufe.
Seit der Einführung des Gewerbesteuergesetzes im Jahre 1936 haben sich die Unterschiede zwischen Gewerbetreibenden und selbstständig Tätigen verringert. Diese Tatsache wurde auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 15.01.2008 festgestellt. Jedoch ist das Bundesverfassungsgericht weiterhin der Ansicht, dass die vom Gesetzgeber bislang gewollte Unterscheidung mit dem im Grundgesetz festgelegten Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist.
In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass bei Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen eine weitgehende Belastungsneutralität der Gewerbesteuer erreicht wird, indem die Gewerbesteuerschuld auf die Einkommensteuerschuld angerechnet werden kann. Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400% wird eine vollständige Entlastung der Gewerbesteuer durch die Anrechnung bei der Einkommensteuer erreicht, so dass es aus steuerlicher Sicht nicht zu einer deutlichen Mehrbelastung für die freien Berufe kommen würde, wenn diese gewerbesteuerpflichtig werden sollten.
Außerdem würde es hohe Freibeträge geben, wie es heute schon beim Gewerbe der Fall ist: Nicht einmal 25 Prozent aller grundsätzlich steuerpflichtigen Betriebe zahlen tatsächlich Gewerbesteuer. Und warum soll eine Großkanzlei mit Riesengewinn nicht steuerpflichtig sein, ein erfolgreicher Kioskbetreiber oder Tankstellenbesitzer aber schon?
Mit freundlichen Grüßen

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